- Frauen
- Menschenrechte
- Europa
Das Rad der Emanzipation zurückdrehen
In Europa gab es nach 1945 nicht nur im Osten diktatorische Regime. In Südeuropa regierten Rechtsdiktaturen: Salazar in Portugal, Militärs in Griechenland und die Faschisten unter Franco in Spanien. Und nicht nur dort, sondern auch in den meisten der europäischen Demokratien hatten Frauen sich um Herd und Familie zu kümmern, zum Arbeiten brauchten sie die Genehmigung des Ehegatten.
Ist all das Vergangenheit? Leider nein. Während die autoritär-kommunistischen Regime und deren Ideologie nach 1989 diskreditiert waren, kam es insbesondere in Spanien niemals zum Bruch mit der Franco-Diktatur. Die oppositionellen Sozialisten stimmten 1978 aus Angst vor einem Rückfall in die Diktatur einer Verfassung zu, die einen König installierte, die am Zentralstaat festhielt und die Günstlinge des Franco-Regimes in Wirtschaft, Kirche und Medien unbehelligt ließ.
Innerhalb der konservativen Partido Popular überlebten faschistische Ideologie und erzkonservative Gesellschaftsbilder. Diese konservative „Law and Order“-Mentalität beschränkt sich nicht auf den harten Kurs gegen BaskInnen und KatalanInnen oder auf den autoritären Politikstil, den die Regierung mit der Troika gemeinsam umsetzt. Es ist ein reaktionäres Gesellschaftsbild, das in Allianz mit fundamentalistischen katholischen Kreisen die Grundwerte der Aufklärung in Frage stellt. Es erinnert an Entwicklungen, die auch in anderen Teilen Europas – insbesondere Ungarn – zu beobachten sind: Freiheiten für Großunternehmen propagieren und persönliche Freiheitsrechte einschränken geht Hand in Hand.
Auch der gegenwärtige Angriff auf Frauenrechte ist in diesem Zusammenhang zu verstehen. In der ÖH-Zeitung Progress klagt Ana María Pérez del Campo, feministische Aktivistin, an: Während der ETA-Terror 857 Tote forderte und jahrzehntelang einen „schmutzigen Krieg“ rechtfertigte, wurden seit 1968 mehr als 8.900 Frauen von ihren Partnern und Ex-Partnern ermordet, was von staatlichen Stellen bis heute systematisch verharmlost wird.
Heute nutzt die konservative Regierung den von der Europäischen Kommission oktroierten Spardruck gezielt, um vor allem jene Teile des Sozialstaats auszuhöhlen, die der eigenen Ideologie widersprechen. So kam es beispielsweise zur Schließung zahlreicher Frauenhäuser. Aber nicht nur die Sozialpolitik wird gegen Frauen eingesetzt: Gegen den Willen des Großteils der Bevölkerung wird gerade ein neues Gesetz beschlossen, das Schwangerschaftsabbruch weitgehend verbietet. Es gibt also jede Menge Hausaufgaben für die europäische Frauenpolitik. Wann kümmert sich die Europäische Kommission darum?
Andreas Novy ist Obmann der Grünen Bildungswerkstatt und Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien