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Fracking - Frack off! Bürgerinnenproteste gegen Fracking
Alles begann, als Josh Fox der Brief eines Energiekonzerns ins Haus flatterte. Er enthielt das Angebot, sein Waldgrundstück in Pennsylvania für mehrere Jahre zu vermieten, um dort Schiefergas mittels Fracking zu fördern. Dieses Angebot machte den einstigen Amateur-Filmemacher stutzig. Er begann zum Thema Fracking zu recherchieren und bereiste all jene Gegenden der USA, wo die Risikotechnologie seit Jahren eingesetzt wird.
Die Ergebnisse seiner Recherchen schockierten ihn: explodierende Brunnen, nach Terpentin stinkendes Trinkwasser, seltsame Krankheiten bei den AnrainerInnen und dazu das eisige Schweigen der Verantwortlichen. Sein Film „Gasland“ (2010) wurde ein großer Publikumserfolg in den USA und sogar mit einer Oscar-Nominierung ausgezeichnet.[1] Den AmerikanerInnen wurden damals in drastischen Bildern die Schattenseiten der bisherigen Gas-Euphorie vor Augen geführt.
Bauernaufstand in Polen
An der Ausbreitung der Technologie konnte der filmische Warnruf aber freilich nichts ändern. Fracking ist heute längst eine Option in Europa. Internationale Energiefirmen haben in vielen Ländern Konzessionen erhalten, um Probebohrungen durchzuführen: Deutschland und vor allem Polen gehören dazu. Doch überall dort, wo sich die Konzerne niederlassen, regt sich auch Widerstand. Im Osten von Polen, wo riesige Mengen Schiefergas unter der Erde vermutet werden, hat der Aktivismus der Landbevölkerung besonders viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen – und damit wohl auch zu seinem Erfolg beigetragen. Vor allem der Kampf eines Dorfes, ?urawlów, taugt als HeldInnen-Geschichte: Das 100-EinwohnerInnen-Dorf schaffte es tatsächlich, den Konzern Chevron aus seinem Dorf zu vertreiben. Dabei sah es für den Konzern schon sehr gut aus, weil er über zwei gültige Pachtverträge mit Bauern aus dem Dorf und eine von der Regierung erlassene Konzession verfügte. Doch die Schreckensmeldungen von anderen polnischen Dörfern, die nach Fracking-Probebohrungen über verschmutztes Trinkwasser und totale Desinformation seitens der Verantwortlichen klagten, ließ die Dorfbevölkerung hellhörig werden. In Gemeindeversammlungen und über das Internet informierten sie sich über die zu erwartenden schädlichen Auswirkungen von Fracking auf Böden und Trinkwasser. Die Menschen erkannten, dass ihre eigene Existenzgrundlage durch Fracking in Gefahr war. „Wir wehren uns, weil wir weiter auf dieser Erde leben wollen“, brachte es der Bauer Marek Makuch in einem Interview mit 3sat-Nano auf den Punkt. [2] Mit Traktoren und Strohballen blockierten sie über Wochen die Wege zu den gepachteten Feldern. Die schweren LKWs von Chevron konnten nicht passieren. Es gelang den Firmen-MitarbeiterInnen auch nicht, das Feld einzuzäunen.
Medienstationen wurden auf den Protest der einfachen BäuerInnen, die sich „Occupy Chevron“ nannten, aufmerksam. Im November 2013, kurz vor dem EU-Klimagipfel in Warschau, schaute auch noch der französische EU-Abgeordnete José Bové bei den Protestierenden vorbei.[3] Laut der Dokumentation „Gas-Fieber“ (2013), die Filmemacher Lech Kowalski über den BäuerInnen-Protest gemacht hatte, war es neben dem Engagement der Bevölkerung letztlich aber vermutlich ein Konflikt mit dem polnischen Umweltschutzgesetz, der Chevron zum Rückzug aus ?urawlów bewogen hatte. Denn genau auf dem besetzten Stück Land ist die Brut von mehreren geschützten Vogelarten vorgesehen.
Staraufgebot gegen Fracking in Großbritannien
In Großbritannien sind die vermuteten Schiefergasvorkommnisse zwar geringer als in Polen oder Deutschland, doch dafür setzt sich die Cameron-Regierung stark für ihre industrielle Förderung ein. Auch hier trotzen AnrainerInnen und UmweltaktivistInnen den Probebohrungen der Energiekonzerne und es besteht die Hoffnung, dass Fracking zum Wahlkampf-thema der britischen Parlamentswahlen 2015 werden könnte.[4] Ein weiterer Bonus könnte sein, dass sich dort auch Prominente gegen Fracking einsetzen.
Vivienne Westwood etwa, einstmals schillernde Punk-Ikone, gilt als Fracking-Gegnerin der ersten Stunde. Immer wieder trifft man die Modeschöpferin bei Protestkundgebungen gegen Fracking, so auch beim Protestcamp in Balcombe (West-Sussex) im Herbst 2013. Ähnlich wie in Polen versuchten dort AnrainerInnen, Probebohrungen zu verhindern. Mehrere Wochen bauten sie an den Zufahrtsstraßen ihr Lager auf und wurden dabei von der britischen Aktionsgruppe „Frack-Off“ unterstützt.[5]
Ähnliches wiederholt sich jetzt in Barton Moss, wo BürgerInnen gegen Aktivitäten des Energiekonzerns IGas mobil machen. Unter den protestierenden AnrainerInnen befindet sich eine weitere Popkultur-Ikone: „Bez“, der charismatische Tänzer der Kult-Band „Happy Mondays“. Bei den britischen Parlamentswahlen will der Permakultur-Bauer nun für einen Sitz kandidieren und gegen Fracking zu Felde ziehen.[6]
Viele Widerstandsinitiativen haben sich in den letzten 3-4 Jahren in Europa gebildet. So auch in Deutschland und Österreich (siehe Artikel „Fracking in Österreich“, Seite 32). Ein Zeichen ihrer Vernetzung ist der internationale Anti-Fracking-Tag, der europaweit für den 19. Oktober ausgerufen wurde.[7] Ein weiteres Zeichen ist das einende Be-wusstsein, dass es im Kampf gegen Fracking nicht „nur“ um die Umwelt, sondern auch den Schutz der Demokratie als solche geht. Mit dem Einspruch der AnrainerInnen müssen die Energiekonzerne in Zukunft mit Sicherheit noch häufiger rechnen.
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Gasland
[2] http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=40006
[3] http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=40006
[4] http://www.theguardian.com/environment/2014/jan/28/fracking-protest-david-cameron-public-support-poll
[5] http://www.theguardian.com/uk-news/2014/mar/26/vivienne-westwood-backs-green-mp-caroline-lucas-fracking
[6] http://www.theguardian.com/commentisfree/2014/mar/19/bez-happy-mondays-salford-2015-election
[7] http://www.breakingnews.com/topic/global-anti-fracking-protests-oct-19-2013/