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Fracking - Sauber und sicher? Die Auswirkungen von Fracking auf Mensch und Umwelt
Bartonville, Texas. Aufgebrachte BürgerInnen drängen zur Sitzung des Stadtrats. Sie haben eine Sammelklage gegen den Bau eines Wasserturms eingereicht, der in Zusammenhang mit einem Frackingprojekt in ihrer Nachbarschaft aufgestellt werden soll. Rex Tillerson ist einer von den Protestierenden. Der weißhaarige Mann fürchtet um sein Eigentum. Zu hoch sei der Verlust des Grundstückswerts, der durch den Bau eines Bohrplatzes zu befürchten ist, so die Klage. Er will nicht umsonst Millionen in sein Anwesen investiert haben.[1]
Doch Herr Tillerson ist nicht nur wütender Anrainer, sondern auch CEO von Exxonmobile, einem der weltweit führenden Öl- und Gaskonzerne und der größte Gasproduzent in den USA. 2013 wurde die Gasproduktion in den USA zu 67% mittels Fracking erwirtschaftet.[2] Daran verdient auch Exxonmobile recht gut.
Nun ist der Frackingboom der USA auch vor Tillersons Tür angekommen. Die Bürgerinitiative fürchtet vor allem die Lärmbelästigung durch das erhöhte Verkehrsaufkommen und die Bebauung der Gegend. Sie haben auch allen Grund sich zu sorgen. Denn rechnet man die LKWs, die für den Aufbau, die Erhaltung und den Abbau des Bohrplatzes gebraucht werden, zusammen, so müssen über 2500 Transporter durch die Landschaft rollen.[3] Dafür müssen häufig ganze Straßen neu angelegt werden. Die Fläche eines einzigen Bohrplatzes entspricht etwa zwei Fußballfeldern.[4] Dadurch ist nicht nur die Angst vor einer Abwertung der Grundstücke berechtigt, sondern ebenso vor einem massiven Einschnitt in die Lebensqualität.
Aus den Augen aus dem Sinn – Chemikalien im Trinkwasser
Aber Fracking bringt noch weitere, durchaus gravierendere Unannehmlichkeiten für Mensch und Ökosystem mit sich. Neben dem hohen Wasserverbrauch dieser Technologie, der nach Berechnungen der US-amerikanischen Umweltbehörde bei 264 bis 529 Milliarden Liter für die gesamte Gasgewinnung in den USA liegt,[5] sind vor allem die eingesetzten Chemikalien bedenklich.
Ein Teil des Wassers wird für das sogenannte Frac-Fluid benötigt. Es handelt sich dabei um ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien, das unter hohem Druck in das Bohrloch gepumpt wird, um in den gashaltigen Gesteinsschichten Risse zu erzeugen und so an das Erdgas zu gelangen. Die Chemikalien, so betonen die Energiekonzerne gerne, machen zwar nur 0,5 bis maximal 2% des Flüssigkeitsgemisches aus, sind aber angesichts der hohen Mengen an Frac-Fluid, die pro Bohrung gebraucht werden, erheblich. Im Durchschnitt werden 10 Millionen Liter Gemisch pro Loch verwendet. Das macht ca. 50.000 bis 200.000 Liter Chemikalien.[6] Die Zusammensetzung der verwendeten Flüssigkeiten muss von den Firmen nicht gänzlich offen gelegt werden. Dennoch ist es WissenschaftlerInnen von der US-amerikanischen Umweltbehörde gelungen, einige zu identifizieren. Darunter befinden sich hoch giftige Stoffe wie Formaldehyd, Benzole und mit radioaktiven Schwermetallen belastete Phosphate.[7]
Dass diese Chemikalien ins Trinkwasser gelangen können, wird von Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen weltweit angeprangert. Die Sorge gilt dabei weniger der Möglichkeit, dass das Grundwasser während der Bohrungen verunreinigt wird, als viel mehr den verbleibenden Überresten der Frac-Fluid. Nach erfolgreicher Bohrung wird die Frac-Fluid wieder abgesaugt, damit das Gas nach oben strömen kann. Es gelingt jedoch nicht, die gesamte Flüssigkeit wieder heraus zu holen. Durchschnittlich verbleiben zwischen 40 und 70% in der Erde.[8] So konnte zum Beispiel Exxonmobile bei Probebohrungen in Niedersachsen nur ca. 30% der Flüssigkeit zurückgewinnen. Der Rest der Chemikalien bleibt im Boden und man kann nur hoffen, dass er sich nicht wieder den Weg in höhere Schichten bahnt.[9]
Auch die Entsorgung der wieder abgepumpten Frac-Fluid ist nicht unproblematisch. Die Wiederverwendung für weitere Bohrungen ist eine Variante. Die weitaus verbreitetere Lösung ist, die Restflüssigkeit in stillgelegte Bohrlöcher zu pressen, diese mit Zement zu versiegeln und das Ganze sich selbst zu überlassen. Frei nach dem Motto: Aus den Augen aus dem Sinn.
Brennende Wasserhähne und wackelnde Wände
Doch wer jetzt denk, dies seien die einzigen Risiken, irrt. Fracking hat noch mehr zu bieten.
Wie Studien aus den USA belegen, gibt es einen klareren Zusammenhang zwischen Fracking und Luftverschmutzung. Vor, während und nach dem Frackingprozess können giftige Stoffe wie Benzole durch die Verdunstung der Fracking Chemikalien in die Atmosphäre geraten. Durch die Bohrungen werden außerdem natürlich im Boden vorkommende Giftstoffe aus dem Gestein gelöst und freigesetzt. Benzole führen zu Kopf-, Augen- und Halsschmerzen, Atembeschwerden und einem erhöhten Krebsrisiko.[10]
Eine weitere Gefahr ist der Hauptbestandteil von Erdgas, das Methan. In einigen Gegenden in den USA hat sich in der Nähe von Bohrlöchern Methan im Trinkwasser angesammelt. Methan ist ein farb- und geruchloses Gas, das allerdings hoch entzündlich ist. Mancherorts war die Methankonzentration im Wasser so hoch, dass eine Zigarette ausreichte, um es zu entzünden. Die Folge war brennbares Wasser in Küche und Bad.[11]
Last but not least ist zu erwähnen, dass in einigen US-Bundesstaaten seit 2008 eine steigende Zahl an Erdbeben mit Mindeststärke drei festgestellt werden.[12] Mehrere Fälle von seismischen Aktivitäten sind dokumentiert, die mit Fracking in Verbindung gebracht werden können. Dabei handelt es sich um kleinere Erdbeben und Erschütterungen. Besonders beunruhigend ist die Unwissenheit über mögliche langfristige Folgen des noch relativ jungen Fracking-Booms.
Weiter wie bisher?
Auf all diese Gefahren, die Fracking mit sich bringt, wird von Fracking-Gegner-Innen schon seit Langem aufmerksam gemacht. Konzerne wie Exxonmobile schweigen und beschwichtigen hingegen weiter. Hier gilt also ganz offenbar die Devise: Fracking, sauber und sicher! Aber „Not in my backyard!“
[1] http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/exxon-chef-rex-tillerson-will-kein-fracking-nahe-seinem-wohnhaus-a-955818.html
[2] http://energy.gov/sites/prod/files/2013/04/f0/how_is_shale_gas_produced.pdf
[3] http://www.rrc.state.tx.us/commissioners/porter/reports/Eagle_Ford_Task_Force_Report-0313.pdf
[4]http://www.europarl.europa.eu/document/activities/cont/201107/20110715ATT24183/20110715ATT24183EN.pdf
[5] http://www.earthworksaction.org/issues/detail/hydraulic_fracturing_101#WATERUSE
[6] http://www.earthworksaction.org/issues/detail/hydraulic_fracturing_101#.UynMR1fpnIU
[7] http://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/energie/nabu_hintergrund_nicht-konventionelles_erdgas110225.pdf
[8] http://www.suedwind-magazin.at/start.asp?ID=256639&rubrik=31&ausg=201403
[9] http://www.utopia.de/magazin/fracking-brennt-uns-bald-der-wasserhahn
[10] http://www.boell.de/sites/default/files/2013-10-schiefergas_1.pdf
[11] http://www.utopia.de/magazin/fracking-brennt-uns-bald-der-wasserhahn
[12] https://www.boell.de/sites/default/files/2013-10-schiefergas_1.pdf