- Veranstaltungsberichte
Geschichten aus dem jüdischen Mattersdorf
Der sogenannte "Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 jährt sich heuer zum 75. Mal. Am Grazer Rathaus war die Hakenkreuzfahne bereits am 24. Februar gehisst worden, in der Nacht des 12. März marschierten deutsche Truppen in Österreich ein. Auf dem Wiener Heldenplatz verkündete Hitler vor einem Menschenmeer (bei dem später niemand dabei gewesen sein wollte) den "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich und ließ diesen durch eine Volksabstimmung am 10. April 1938 bestätigen. Das einzige Land, das vor dem Völkerbund offiziell Protest gegen den "Anschluss" Österreichs an Hitlerdeutschland einlegte, war Mexiko.
Insgesamt war der "Anschluss" ein dreifacher Prozess, der von außen, von unten und von oben erfolgte. Zu Beginn des Jahres 1938 hatte nicht nur der Druck der Nationalsozialisten aus Deutschland, sondern auch jener in Österreich zugenommen. Der österreichischen Exekutive war unmittelbar vor dem Einmarsch von der Staatsspitze der Befehl erteilt worden den deutschen Truppen keinen Widerstand entgegenzusetzen.
Für Angehörige nicht deutscher Volksgruppen, Juden und Jüdinnen, Roma und Sinti, die GegnerInnen des Nationalsozialismus, sogenannte "Asoziale" und Homosexuelle mündete der "Anschluss" in zigtausendfache Verfolgung und Tod. (Quelle: Demokratiezentrum Österreich).
Dass auch das Burgenland zu den Musterschülern vorauseilenden Gehorsams gehörte, bezeugt u.a. die Geschichte Mattersdorfs, eine der ältesten jüdischen Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Burgenlands (1902 zusammengelegt mit der Marktgemeinde Mattersburg). Bereits am 30. September 1938 vermeldeten die lokalen Nationalsozialisten, dass alle Juden enteignet und vertrieben seien. Darunter auch der Arzt und spätere Mitarbeiter des "New Yorker", Richard Berczeller. Berczeller war von 1930-1938 Gemeindearzt in Mattersburg und schloss sich nach dem Februaraufstand 1934 der (verbotenen) Bewegung "Revolutionäre Sozialisten Österreichs" an. Im März 1938 wurde er verhaftet und emigrierte in der Folge über Frankreich und Westafrika in die USA.
Die persönliche Bekanntschaft des Mattersburger Altbürgermeisters Edi Sieber mit Richard Berczeller und dessen Sohn war ebenso Hintergrund unserer Veranstaltung am 26. Februar wie die Verpflichtung das Wissen an folgende Generationen weiterzugeben: Die BesucherInnen bekamen einen sehr persönlicher Einblick in die Geschichte und den hohen kulturellen Status der ehemaligen jüdischen Gemeinde. Bewusst gewählt war auch der Veranstaltungsort: Das Café Savio ist im letzten jüdischen Haus in Mattersburg untergebracht - und war bis auf den letzten Platz gefüllt. Ein deutliches Zeichen dafür, dass dieses Thema viele Menschen interessiert und bewegt.
"Geschichten aus dem jüdischen Mattersdorf", 26.02.2013
Grüne Bildungswerkstatt in Kooperation mit dem Verein 2getthere und den Grünen Mattersburg/Walbersdorf.