- Demokratie
Trauerarbeit und historisches Bewusstsein
Es ist wenige Monate her, dass Junge Grüne und die Grüne Partei einen großen Erfolg feierten: Beide waren wesentlich daran beteiligt, Alexander van der Bellen zum Bundespräsidenten zu machen und einen Rechtsruck abzuwenden. Heute sind sie in einen Konflikt verwickelt, bei dem beide verloren haben, die FPÖ und der Boulevard jedoch die Sieger sind.
Vermutlich werden den Grünen junge, engagierte und kompetente Menschen abhandenkommen, die für die Grüne Bewegung Großartiges geleistet haben, die mitgewirkt haben am Wachstum der Grünen, ihren Wahlsiegen und Kampagnen. Das macht traurig, das erfordert Trauerarbeit. Wie konnte das passieren? Wie konnten Menschen, die vermeintlich „auf derselben Seite stehen“, so rasch ihre Gemeinsamkeiten verlieren?
Die Beantwortung dieser Frage erfordert Selbstkritik auf allen Seiten, aber auch historisches Bewusstsein, denn der Moment, in dem dieser Konflikt stattfindet, macht ihn zu einer Tragödie. Gerade heute bräuchte es eine politische Kraft, die zu einem gesellschaftlichen und politischen Pol für Solidarität beiträgt, das Gemeinsame in den Vordergrund stellt. Diesen Pol haben Junge Grüne und Grüne Partei mit diesem Konflikt geschwächt. Der Bundesvorstand der Jungen Grünen muss sich die Frage gefallen lassen, ob es wirklich im Interessen ihrer vielen engagierten AktivistInnen ist, einen zentralen Akteur im Kampf gegen Blau-Schwarz zu schwächen?
Was sagt das über uns als Organisation aus? Und - das eigentliche Problem - wofür stehen wir als Grüne in diesem Land? Wenn es – wie ich mir wünsche – der Versuch ist, ein Stück des Weges mit all denjenigen zu gehen, die Autoritarismus und Ausgrenzung verhindern sowie Solidarität und Nachhaltigkeit befördern wollen, dann braucht es eine respektvollere Streitkultur mit weniger Rechthaberei und mehr Lernbereitschaft. Und dann braucht es auch die Einsicht, dass wo auch immer Flora Petrik und andere Junge Grüne ihre politische Heimat finden werden, diese jungen Menschen – innerhalb oder außerhalb der Grünen – Verbündete bleiben werden im einzig wichtigen Projekt: dem Bestreben, das beste unserer Zivilisation zu erhalten und nicht unseren Wohlstand auf Kosten Schwächerer zu verteidigen.
Andreas Novy ist Obmann der Grünen Bildungswerkstatt und Mitglied des Bundesvorstands der Grünen.